Luzerner Mountainbiker wollen Hobby legal betreiben – jetzt fordern sie die Politik zum Handeln auf

In den Wäldern rund um Luzern gibt es immer mehr Mountainbiker – vielerorts ist der Sport allerdings verboten. Ein klarer politischer Auftrag fehlt, weshalb lokale Mountainbiker zunehmend unzufrieden sind. 

Bild: PD

Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Sport fahren 553'000 Personen in der Schweiz Mountainbike – Tendenz zunehmend. Auch in Luzern gewinnt der Bikesport immer mehr an Beliebtheit, und die Coronakrise hat ihm dieses Jahr zusätzlichen Schub verliehen. Kommt hinzu: Aufgrund der milden Winter wird das Biken zunehmend zum Ganzjahressport.

 

Der Luzerner Mountainbike-Verein Freeride Connection verzeichnet jährlich einen Mitgliederzuwachs von 20 bis 25 Personen. Das Problem: Es gibt immer mehr Mountainbikerinnen und Mountainbiker, jedoch fast keine offiziellen Trails in und um Luzern. «Die massive Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage führt immer wieder zu Konflikten», sagt Dario Resenterra vom Verein Freeride Connection.

 

Das erhöhte Aufkommen von Mountainbikern passt nicht allen: Waldbesitzer, andere Wegnutzer und Naturschützer haben häufig keine Freude an den Radsportlern. Rechtlich gesehen sind viele Mountainbiker auf dünnem Eis unterwegs: Denn Gemäss Luzerner Waldgesetz ist Mountainbiken im Wald nur auf Waldstrassen, befestigten Waldwegen oder speziell markierten Pisten erlaubt. Letztere gibt es kaum. Resenterra weiss:

 

«In Luzern werden Biker vielfach geduldet, da es keine Alternativstrecken gibt.»

 

Er sieht den Kanton in der Pflicht, die Bikepolitik angesichts des erhöhten Bikeraufkommens zu beschleunigen. 

 

Kanton bemüht sich um Lösung

Der Kanton hat sich ein bedarfsgerechtes Bikeangebot bereits vor drei Jahren auf die Fahne geschrieben, die Umsetzung geht allerdings nur langsam vonstatten. Es sind noch zu viele Fragen ungeklärt, wie jene der Trägerschaft und Finanzierung offizieller Singletrails. «Der Kanton ist durchaus bemüht und befasst sich aktiv mit der Thematik», sagt Rob Loedeman, Präsident der Freeride Connection. Jedoch sei die Situation seit rund 30 Jahren beinahe unverändert – die Bemühungen würden keine Früchte tragen. Sejana Amir von der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) beschäftigt sich intensiv mit Mountainbike-Fragen. Sie sagt: «Ich habe grosses Verständnis für der Unzufriedenheit der Biker.» Im Bireggwald lancierte der Kanton ein Pilotprojekt zur Bikerlenkung. Der Bireggwald ist unter Bikern beliebt – auch HSCL, das Hochschulsportprogramm vom Campus Luzern, bietet dort Bikekurse an.

 

Die Arbeitsgruppe des Projekts Bireggwald besteht aus Vertretern der grossen Waldeigentümer, der Gemeinde Horw, der Stadt Luzern und des kantonalen Forstdienstes. Es hätten schon mehrere Sitzungen mit verschiedenen Bikevertretern, auch mit Vertretern der Freeride Connection stattgefunden. Der erarbeitete Lösungsvorschlag wird nun dem Gemeinderat Horw und dem Stadtrat Luzern präsentiert. Amir sagt: «Ziel ist, eine Trägerschaft zu finden und die Frage der Finanzierung zu lösen.» Erst danach soll breit über das Projekt informiert werden. Für Dario Resenterra ist klar:

 

«Wenn das Projekt Bireggwald scheitert, dann weiss ich nicht mehr, was wir noch machen sollen.»

 

Der Verein Freeride Connection könne die Finanzierung und Trägerschaft dieses Projekts nicht allein stemmen. Ein Blick in den kürzlich publizierten Aufgaben- und Finanzplan der Gemeinde Horw zeigt, dass 120'000 Franken für dieses Projekt eingeplant sind.  

 

Fehlender politischer Auftrag

Weshalb gestaltet sich die Suche nach einer Lösung dermassen schwierig? Resenterra meint: «Es gibt keinen klaren politischen Auftrag, weshalb sich weder der Kanton noch die Gemeinden zuständig fühlen.» Dies sei wohl der Hauptpunkt, weshalb noch keine Lösung auf dem Tisch liegt. Amir vom Lawa sagt: «Im Unterschied zu den Wanderwegen gibt es keine gesetzliche Vorgabe für eine verpflichtende Unterstützung durch die öffentliche Hand. Es gibt ein freies Betretungsrecht im Wald, jedoch kein freies Befahrungsrecht – auch nicht für Mountainbikes.» Innerhalb des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements werde zudem ein Projekt gestartet, um die verschiedenen laufenden Themen zum Mountainbiken zu bündeln und abzustimmen.

 

Der Luzerner Grossstadtrat Cyrill Studer Korevaar (SP) hat das Thema aufgenommen und im Sommer einen entsprechenden Vorstoss mit dem Titel «Mountainbike-Trend mitgestalten» beim Stadtrat eingereicht. In einer Interpellation wirft er diverse Fragen zum immer grösser werdenden Bikeraufkommen auf. Studer Korevaar sagt:

 

«Der Vorstoss soll zeigen, dass sich eine Trendverstärkung anbahnt.»

 

Man solle die gewünschte Richtung in der Politik aktiv gestalten und sich nicht von der Welle überfahren lassen. Studer Korevaar ist dem Bikesport grundsätzlich positiv eingestellt, schliesslich sei er als Teenager auch Mountainbike gefahren. Bei Übermass und unachtsamer Ausübung könne der Biketrend allerdings viele Sympathien verspielen. 

 

Gigeliwaldtrail wird rege genutzt

Die Forderungen der lokalen Mountainbike-Community sind klar: «Wir wollen unser Hobby legal betreiben, ohne dass wir uns immer rechtfertigen müssen», sagt Baptiste Pigeon, stellvertretender Präsident von Freeride Connection. Der Verein realisierte vor zehn Jahren einen legalen Biketrail im Gigeliwald – dieser wird rege genutzt. Der Fahrtenzähler verzeichnet jährlich zwischen 10'000 und 12'000 Fahrten auf der 750 Meter langen Strecke.

 

Bei gebauten Trails ist die Werkeigentümerhaftung Pflicht. Der Verein zahlt die nötige Versicherung und deren Mitglieder pflegen den Trail. Heute beteiligt sich gar die Stadt an diesem Projekt. Einzelne offizielle Trails können nicht die Lösung sein, ist sich der Vorstand von Freeride Connection einig. Vielmehr brauche es ein gesamtheitliches Konzept.

 

Kanton Uri als Vorzeigemodell

Ein gesamtheitliches Konzept wird auch in anderen Kantonen angestrebt. Für die Luzerner Mountainbike-Community nimmt der Kanton Uri diesbezüglich eine Vorzeigerolle ein. Die Urner Stimmbevölkerung stimmte im September über die Anpassung des Fuss- und Wanderweggesetzes ab. Die Gesetzesänderung wurde mit 68,5 Prozent angenommen, womit Bikewege in das Fuss- und Wanderweggesetz integriert wurden. Neu sind der Kanton Uri und dessen Gemeinden zur Planung und dem Unterhalt der Bikewege verpflichtet. Uri ist schweizweit der erste Kanton, welcher eine klare Zuständigkeitsregelung zwischen Gemeinden und Kanton kennt.

 

Biker sind bemüht und tolerant

Dass im Wald nicht nur die eigenen Interessen im Vordergrund stehen können, sei allen Mitgliedern der Freeride Connection bewusst. Dario Resenterra sagt: «Wanderer haben immer Priorität, dies wird in unserem Verein grossgeschrieben.» Konflikte zwischen Fussgängern und Bikern seien eher selten; häufiger seien Konflikte mit Grundstückbesitzern. 

 

Biken im Wald kann Bodenverdichtungen und Erosion auslösen. Resenterra meint: «Wir sind uns dessen bewusst, helfen aber auch gerne, um kaputte Waldstellen zu flicken.» Und er ist überzeugt: Wäre der Sport legal, dann würden wohl noch viel mehr Biker Bereitschaft zeigen, um Unterhaltsarbeiten auszuführen.