«Seit März 2020 haben wir einen Viertel weniger Fitnessabonnenten»

In den Fitnessstudios ist es still – bis vorerst am 28. Februar bleiben sie geschlossen. Iwan Kälin aus Rain, Geschäftsführer des Küssnachter Gesundheitscenters Time Out, über den Lockdown, den Umsatzeinbruch und wie man sich zu Hause oder draussen bei Kälte fit hält.


Iwan Kälin, seit Dezember ist Ihr Fitnessstudio aufgrund der behördlichen Massnahmen geschlossen. Was machen Sie den ganzen Tag?

Als Geschäftsführer habe ich noch einige Büroarbeiten zu erledigen – diese laufen im Hintergrund ganz normal weiter. Zudem gibt es noch gewisse Sachen aufzuarbeiten. Auch Dinge wie putzen, flicken und die Instandhaltung der Geräte gehören dazu. Zudem bin ich für die Anliegen des Personals da und übernehme administrative Aufgaben, welche normalerweise unsere Fitnessinstruktoren machen. Alle Fitnessinstruktoren sind derzeit zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Somit übernehme ich den Rezeptionsdienst unserer Physiotherapie. Es ist natürlich entsprechend ruhiger in unserem Studio und ich kann daher auch etwas vor- und nachgeben.

Iwan Kälin aus Rain führt ein Fitnessstudio in Küssnacht. 

Was hat die erneute Studioschliessung vergangenen Dezember in Ihnen ausgelöst?

Ich war entspannter als noch im März. Der erste Lockdown hingegen war ein Riesenschock – aus betriebswirtschaftlicher Sicht kam er nämlich zu einem ungünstigeren Zeitpunkt. Der Lockdown im Dezember konnte man voraussehen und sich darauf einstellen. Wir wussten bereits, welche Auswirkungen die Studioschliessung haben wird.

Weshalb war der erste Lockdown aus betriebswirtschaftlicher Sicht ungünstiger?

Im Frühling 2019 wurde das Gebäude aufgestockt, wir konnten zusätzliche Räumlichkeiten dazu mieten und das Time Out per September vergrössern. Das verursachte natürlich einige Investitionskosten und brachte eine höhere Miete mit sich, was sich entsprechend auf die Liquidität im ersten Lockdown auswirkte. Im Sommer und Herbst setzten wir dann diverse Sparmassnahmen um, damit wir auf eine allfällige erneute Schliessung während der zweiten Welle vorbereitet waren. Das kommt uns jetzt entgegen.

Können Sie die Massnahmen nachvollziehen?

Ich  kann nachvollziehen, dass angesichts der hohen Fallzahlen etwas passieren muss. Natürlich ist es hart, dass es nebst der Gastrobranche auch die Fitnessbranche getroffen hat. Für mich ist es schwierig, diese Frage abschliessend beantworten zu können, aber jammern bringt nichts. Jetzt ist wichtig, dass wir das Beste aus der Situation machen.

Der Bundesrat baute vor rund einer Woche die Härtefallhilfe aus. Jeder Betrieb, der mehr als 40 Tage schliessen muss, erhält vom Staat 20 Prozent des eigentlichen Umsatzes. Ist diese Hilfe ausreichend?

Damit beschäftigt sich derzeit das Treuhandbüro. Das Anmeldeverfahren für den Erwerbsersatz läuft noch. Insgesamt ist es einen Tropfen auf den heissen Stein – aber es ist etwas. Wir sind natürlich froh um jede Hilfe.

Haben Sie Angst um die Zukunft Ihres Betriebs?

Mal mehr, mal weniger. Wir haben den grossen Vorteil, dass wir nebenbei noch Physiotherapie anbieten. In diesem Bereich dürfen wir zu unserem Glück weiterarbeiten. Fitness ist in unserem Betrieb ein zweites Standbein, und die Krise ist absehbar. Mir drängt sich mehr die Frage auf, was im Sommer und Herbst passieren wird.

In der Fitnessbranche ist der Januar normalerweise ein umsatzstarker Monat, was das Geschäft mit Neukunden angeht. Wie hoch ist der effektive Verlust in Abozahlen?

Es geht jeweils bereits in den dunklen Wintermonaten los. Im November, Dezember und Januar herrscht normalerweise Hochkonjunktur. Verglichen mit der Zeit vor Corona haben wir seit März 2020 einen Viertel weniger Fitnessabonnenten. Viele Kunden getrauen sich nicht mehr, im Fitnessstudio zu trainieren. Sie haben wahrscheinlich auch beobachtet, dass die Leute vermehrt draussen Sport treiben – zum Beispiel Velofahren.

Viele haben den Sport im Freien entdeckt. Haben Sie Angst, dass diese Leute nicht mehr ins Fitnessstudio zurückkehren?

Während des ersten Lockdowns hatte ich diese Angst tatsächlich. Was ist, wenn die Leute plötzlich merken, dass es auch ohne Fitnessstudio geht? Letztlich ist es wichtig, dass sich die Leute überhaupt bewegen und etwas für ihre Gesundheit machen. Ein Fitnessstudio hat den Vorteil, dass man bei jedem Wetter trainieren kann. Ganz egal, ob es heiss, kalt oder nass ist.

Fitness-Apps und sonstige Onlineangebote erleben derzeit einen regelrechten Boom. Was halten Sie davon?

Es gibt sicher auch gute Onlineangebote und Apps. Meiner Meinung nach eignen sich solche Angebote hauptsächlich für erfahrene Fitnesssportler, die ihren Körper kennen. Bei Anfängern bin ich eher etwas vorsichtig. Anfängern empfehle ich ein Onlineangebot, bei dem eine Person an der anderen Leitung direkt ein Feedback geben kann. Eine korrekte Bewegungsausführung ist wichtig, Fehler schleichen sich schnell ein. Da ist eine fachkundige Aufsicht definitiv von Vorteil.

Viele Fitnessstudios bieten Onlinekurse an. Wie sieht dies bei Ihnen aus?

Ob Pilates oder Power Yoga, wir bieten sämtliche Gruppenkurse online an. Gewisse Kunden wollen nicht zu Hause trainieren und machen von diesem Angebot keinen Gebrauch. Es gibt allerdings auch viele, die unser Onlineangebot nutzen – es funktioniert gut.

Eine Frage, die insbesondere die fleissigen Fitnessstudio-Besucher interessiert: Ab wann beginnt der Körper, antrainierte Muskeln abzubauen?

Ohne Training bauen die Muskeln leider ziemlich schnell ab. Wenn du zum Beispiel mit einem kaputten Knie im Spital liegst und zwei Wochen lang gar keine Bewegung mehr hast, dann kannst du regelrecht beobachten, wie das Bein dünner wird und an Muskelmasse verliert. Ein gut trainierter Sportler wird nicht alles verlieren, da man davon ausgehen kann, dass er sowieso einen aktiven Lebensstil hat. Zudem holt er die verpasste Trainingszeit schnell wieder auf und kann sein vorheriges Fitnesslevel auch gut wieder erreichen. Man spricht hier von einem «Muskelgedächtnis».

Muss ich mir teure Geräte kaufen, wenn ich mich während des Lockdowns fit halten will?

Nein, überhaupt nicht. Spätestens im Frühling landen diese Geräte auf dem Balkon oder im Keller. Man kann enorm viel mit dem eigenen Körpergewicht trainieren. Dabei können zum Beispiel zwei Mineralflaschen oder ein Besenstil zur Hilfe genommen werden.

Was empfehlen Sie, wenn jemand ausserhalb eines Fitnessstudios Krafttraining betreiben will?

Da sind wir wieder bei den Heimübungen. Es eignen sich zum Beispiel Liegestütze, Rumpfbeugen, Kniebeugen oder Ausfallschritte – die Möglichkeiten mit dem eigenen Körpergewicht sind vielfältig. Auch die Vitaparcours eignen sich für Krafttrainings ausserhalb eines Fitnessstudios.

Wie sieht die optimale Kleidung beim Sport im Freien aus?

Oft besteht die Gefahr, dass man zu viel anzieht und dadurch schwitzt und nass wird. Das Schichtenprinzip hat sich bewährt: eine funktionelle Unterkleidung, eine Mittelschicht und ein Wetterschutz. Eine Kopfbedeckung und Handschuhe machen natürlich auch Sinn. Wenn man in den ersten zehn Minuten des Trainings noch etwas kalt hat, dann ist man richtig angezogen. Bei Bewegung verschwindet nämlich das Kältegefühl.

Nicht alle sind sportbegeistert. Welchen Tipp können Sie einem Sportmuffel mit auf den Weg geben?

Suche auf jeden Fall einen Sport, welcher dir Freude bereitet. Suche dir eventuell einen Trainingspartner, damit man sich gegenseitig motivieren kann. Man sollte mit kleinen Schritten beginnen. Auch wenn es nur eine halbe Stunde Training ist – dies ist besser, als eine halbe Stunde auf dem Sofa zu sitzen.